Dr. Jakob Alemann (1574-1630)
Dr. Jacobus Alemannus ist aus mindestens zwei Gründen ein Portrait wert.
Einerseits ist der Stammvater der lebenden Alemänner, andererseits hat er enge Verbindungen zu den beiden Personen, die in der Frühen Neuzeit die Geschichte Magdeburgs prägten:
Er ist der Schwiegervater von Otto von Guericke, seit Jahrhunderten die Lichtgestalt der Magdeburger.
und er ist Schwager und Cousin von Johann Alemann, der ebenfalls seit Jahrhunderten die dunklen Seiten der Stadtgeschichte repräsentiert.
Jakob Alemann war Politiker und Intellektueller. Sein Horizont umfasste mehr als die Stadtgrenzen. Als Rat und Kanzler diente er einem Kriegshelden der frühen Jahre des Dreißigjährigen Krieges. Dessen Wahlspruch konnte man auf dem Pfaffenfeindtaler lesen:
Auf der Vorderseite steht in der Mitte „GOTTES FREVNDT / DER PFAFFEN / FEINDT“. Die Umschrift lautet: „CHRISTIAN•HERTZ[OG]:ZV•BRAVNSCHW[EIG]:V[ND]:LVNENB[URG]“. Die Rückseite zeigt einen aus einer Wolke gereckten, gepanzerten rechten Arm, dessen Faust ein Schwert hält. Die Umschrift lautet: „TOUT•AVEC•DIEV•1•6•22“ (Alles mit Gott 1622).
Das beste aber ist dies: Es gibt von Dr, Jaklob Alemann ein schönes Bild:
Wir wissen wenig über den dreißig Jahre Doktor des Rechts, der im typischen Ornat des Patriziers seiner Zeit abgebildet ist, mit zierend-einzwängender Halskrause,einen pelzverbrämten Umhang über einem reich verziertem Wams; die rechte, ringbesetzte, feingliederige Hand scheint mit einem Geldsäckel zu winken, die linke Hand aber umspannt den Knauf eines Degens. Sein Blick ist ruhig, vornehm und wirkt dennoch gewitzt, der Mund unter dem sehr gepflegten Schnurrbart spöttisch verzogen. Ein kleines Büchlein – oder ist es ein versiegeltes Dokument (?) – vor ihm auf dem Tisch zeigt, dass der Dargestellte, übrigens mit Ehrenschleife und Orden versehen, sich mit Gelehrtem und mit Schriftsätzen umzugehen versteht; vielleicht ist es aber auch der Adelsbrief, der 1602 für die Magdeburger Alemänner vom Kaiser ausgestellt wurde? Der Stich, so die Gloriole, datiert ja von 1604. Soweit die erste Deutung dieses Stiches, der ein Buch schmückt, das sich mit dem Münzrecht befasst.
Jakob Alemann, Juris utrisque Doctor (J.U.D. = Doktor beider Rechte, Kirchenrecht und weltliches Recht), schrieb dieses Buch 1613 vielleicht auf auf Wunsch seines Onkels Johann Martin Alemann (1554-1618), dieser war von 1584 bis 1618 Bürgermeister der Altstadt Magdeburg, Eine weitere Schrift „De Monetae“ (Über das Geld) folgte 1618. Eines oder beide Bücher stehen im Zusammenhang mit den ständigen Unruhen, die wegen der Geldverschlechterung durch die Prägung neuer Münzen in der Bevölkerung entstanden.
Jakob lebte zwischen 1574 und 1630. Ihm gehörte das Haus zu den sieben Bürgen in der Weinfassstraße 5, ganz nah bei der Ulrichskriche. Das Haus gehörte vor ihm Dr. Emmeran Scheyring (Ziering), auf den das Zieringsche Stipendium zurückgeht. Danach übernahm es Ebeling Alemann (1557-1616), der es vermutlich von seiner Mutter Katharina Moritz erbte, der Enkeltocher von Emmeran Scheyring,. Von Ebeling übernahm es Jakob Alemann. Dessen Schwiegersohn, Otto Gericke heiratete Tochter Margarethe (1605-1645) und wohnte gleich um die Ecke in der Großen Münzgasse 6. Guericke erbte das Haus und verkaufte es 1651 an einen anderen Schwiegersohn von Jakob Alemann, an den Pfarrer von Sankt Johannis Tobias Kuno. Ein Epitaph von ihm ist an der Frontwand der Johanniskirche zu sehen.
Auf dem Plan sind auch die anderen Häuser verzeichnet, die in den Portraits erwähnt werden:
– der Artushof (Johannisbergstraße 3), es gehörte Heinrich Alemann und seinem Sohn Thomas Alemann und dann dessen Sohn, wiederum ein Thomas Alemann, der 1576 starb,
– Das Haus zum goldenen Greif (Alter Markt 11), es kam 1544 in die Familie und gehörte zuletzt Johann Alemann; in dieses flohen am 10. Mai 1632 die Ratsverwandten Gericke, Westphal und Schmidt,
– das Haus zum goldenen Tempel (Breiter Weg 58), es gehörte mindestens seit 1524 dem Bürgermeister Ludwig Alemann und in dieses Haus floh 1523 der Franziskaner Johann Fritzhans,
– schließlich das Haus zum Lindwurm, das jenem Ebeling Alemann, der den Drucker Michael Lotter (1499-1556) von Wittenberg nach Magdeburg holt und ihn hier seine Druckerei einrichten ließ, dann gehörte es dem Kämmerer Moritz Alemann, bei dem der Herzog von Mecklenburg seinen Arrest verbrachte, als er verwundert während der Belagerung der Stadt durch seine Truppen vom Rat in Gefangenschaft genommen worden war.
Die Eltern von Jakob Alemann waren Hans Moritz Aleman (1545-1607) und Anna Robien (1546-1607). Hans Moritz war 1574 und 1577 Kämmerer, von 1580–1601 erster Bürgermeister und ab dem 1.6.1602 Schultheiss. Sein Sohn Jakob schlug eine andere Laufbahn ein. Wie alle Patriziersöhne, die städtische Ämter übernehmen sollten, studierte Jakob Jura. Er studierte aber nicht nur ein oder zwei Semester wie die meisten seiner Standesgenossen. Er studierte zuerst in Wittenberg. und besuchte dann weiter entfernte Universitäten: erst Jena und zuletzt Basel, wo er den Doktortitel erwarb.
Er war wohl mit Leib und Seele Jurist. Dafür spricht, dass er nie Mitglied des Rates, sondern gleich Schöffe wurde. 1603 – gerade mal 29 Jahre alt – ist er schon Beisitzer des Schöffenstuhls. Der Stich stammt ja aus dieser Zeit und auf der Umrandung liest man: „JACOBUS ALEMANNUS: IURIUM DOCTOR: SCABIN: MAGDEBURGENSIS ASSESSOR: etc. ANN: CHRISTI 1604“. Er zeigt sich als stolzer junger Mann. Über dem Bild steht das Motto: „SPES MEA CHRISTUS“. Das ist ein klares Bekenntnis. Er wird das Gottvertrauen nötig gehabt haben. Denn die Zeiten waren unruhig… und er seine bedeutendste Stellung war die eines Rates am Hof des Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (1699-1626). Er war auch Halberstädter Kanzler. Der Herzog hat ihn wohl beeindruckt, denn er taufte seinen 1622 geborenen Sohn auf den Namen Christian. Dieser Name war neu in der Familie.
Das Bild zeigt den jungen Herrscher am Ende seiner Laufbahn nach dem Verlust seiner Hand immer noch in stolzer Pose des Kriegers für die protestatische Sache. Sein Motto klang ja – für einen Bischof sicher ungewöhnlich – wie ein Fanal: „Gottes Freund – der Pfaffen Feind“. 1616, gerade einmal 17 Jahre alt, wurde der junge Herzog auch Bischof von Halberstadt. Jakob Alemanns Zeit als Rat und Kanzler lag vermutlich irgendwo zwischen 1616 und 1622. In einer Randnotiz zur Halberstädter Chronik von J.H. Lucanus steht:
„Anno 1615. so ist die fürstl. bischöfl. Regierung mit folgenden besetzet geworden. Jochim Ernst von Bieren, Subsenior und Dom Herr, Leppoldus von Rößing, Dom Herr beide Hof Rahte, Dr. Pauermeister von Kahstadt, Comes Palatin und Cantzler, Dr. Christoph Lüders, Syndicus und Hof Rath, Doctor Jacob Ahlmann Hof Rath, Licentiat Stephan Lakenmacher Major und Hof Raht, Justus Rauch Reverendi capituli secretarius, Christoff Straube vicarius und Baumeister.“
Dass ich alle Buchstaben der Handschrift, die uns das Halberstädter Stadtarchiv kopiert hat, richtig entziffert habe, ist eher unwahrscheinlich. Aber der Text belegt, dass Dr. Jakob 1615 Hofrat in Halberstadt war.
Dr. Jakobs Dienstherr wurde nach dem „Prager Fenstersturz“ in ganz Deutschland bekannt als Söldnerführer im Kampf gegen die Kaiserlichen Truppen, zuletzt im Bündnis mit dem Dänenkönig Christian IV. Vermutlich endete Jakobs Zeit in Halberstadt, als „der tolle Christian“ sein Leben ganz dem Kriege widmete. 1624 musste der Herzog als Administrator (Bischof) von Halberstadt abdanken. 1628 starb er im Alter von 27 Jahren. Rudolf Huch beschrieb sein Leben in der kurzen Novelle „Der tolle Halberstädter“, die 1925 bei Reclam erschien.
Doch zurück zu Dr. Jakob Alemann. Er heiratete 1602 seine Cousine Katharina Alemann (1582-1607). Katarina starb 1607 an der Pest, wenn es in der Genealogie richtig gedeutet wurde, ist das gemeint mir der vornehmen Umschreibung „in dem Feste“. Dafür das nicht das Kindbett gemeint ist, spricht, dass auch Dr. Jakobs Eltern im selben Jahr starben. Die einzige Tochter der beiden heiratete Otto von Guericke. Margaretes Grabstein ist heute in der Guericke-Gedenkstätte der Johanniskirche zu sehen. Vielleicht war jener kleine Jakob Alemann, der in Halberstadt beerdigt wurde, Margaretes Bruder. Auf dem Kinderepitaph im Keller der St. Andreas Kirche war leider keine Angabe zu dem Geburts- und Sterbejahr des Kindes zu entziffern. Heute ist der Stein nicht mehr auffindbar.
Jakobs zweite Gattin wurde Katharina Bünemann, Tochter eines Ratskämmerers, der im Geschäft des Großvaters der verstorbenen Katharina Alemann, bei Martin Alemann (1524-1581) seine Karriere als Handelsmann begonnen hatte. In den Genealogiedaten steht:
„Ratskämmerers in Mgdb. (1615–† 1624) – Hans Bünemann war 1567 in das Geschäft des Bm. Martin Alemann eingetreten und hatte es zu einem bedeutenden Großkaufmann gebracht, der u. a. dem Leipziger Rat ein ziemliches Kapital vorstreckte; vgl. Mgdb. Geschichtsblätter 1932, S. 68, Ernst Bötinger“ (Quelle hier)
Dieser Ehe entstammen die „Stammväter“ der beiden Linien, die bis ins Zwanzigste Jahrhundert hineinreichten.
Bis zum Ende des 2. Weltkrieges gab es im Familienarchiv Originalschriften und -drucke von Dr. Jakob Alemann. Seine Ausarbeitung zum Wahlkönigtum behandelte ein für den Dreißigjährigen Krieg nicht unwichtiges Problem: der Konflikt entzündete sich ja an der Königswahl der böhmischen Stände. Sie könnte in die Zeit seiner Rats- und Kanzlertätigkeit für „den tollen Halberstädter“ fallen.
Auch als Assessor des Magdeburger Schöffengerichts hinterließ Jakob Alemann schriftstellerische Spuren. Verfügbar ist heute die oben dokumentierte Schrift über das Recht des Geldwesens von 1613. Überliefert ist auch die Existenz eines Gutachten zum Münzrecht, dass Dr. Jakob Alemann für den Bürgermeister Johann Martin Alemann anfertigte. 1618 übergab er dem Rat die Schrift „de jure monetae“. Auch sie lag wohl seinerzeit im Familienarchiv. Das Gutachten stand offensichtlich im Zusammenhang mit den unterschwelligen sozialen Konflikten, die 1622 im Aufstand „Wipper und Kipper“ offen ausbrachen.
Jakob war also nicht nur ein Lokalpolitiker wie meisten seiner Verwandten. Er kannte mehr als die Altstadt Magdeburg. Irgendwie steht er auch am Ende einer großen Tradition, deren Höhepunkt in seiner Jugendzeit erreicht und überschritten wurde.
In der jüngsten „Geschichte der Stadt berichtet Dr. Ditmar Schneider vom Briefverkehr des Obersten Falkenberg mit dem schwedischen Hof. Dort taucht Dr. Jakob Alemann kurz vor seinem Tod (15.12.1630) noch einmal auf:
„Oberst von Falkenberg geht sogar selbst gegen die Uneinigkeit in der Stadt vor. Er versucht, Dr. Jakob Alemann und den ‚gut kaiserlichen‘ Kern der Bäcker- und Brfauerinnung, [eine] der einflussreichsten Innungen, der Stadt, die insgeheim Lübeck um Vermittlung hinsichtlich derBefreiung vom schwedischen Vertrag gebeten hat, auf seine Seite zu ziehen, was ihm auch gut gelingt.“ (Ditmar Schneider, Die alte Stadt Magdeburg zwischen den Fronnten 1618- 1631, in: Petsch/Puhle (Hrsg.), Magdeburg – Geschichte der Stadt 805-2005, Dössel, 2005, S. 384)
Wenn das zutrifft, dann hätte Dr. Jakob Alemann eine andere Position eingenommen als sein 20 Jahre jüngerer Cousin und Schwager Johann Alemann und wenn Dr. Jakob länger gelebt hätte, wäre vielleicht ein heller Tupfen in das Alemannbild der Magdeburger hineingekommen.
Zwischen 1575 und 1617 bestimmte Jakobs Vater Hans Moritz Alemann, gemeinsam mit seinem Schwiegervater Johann Martin Alemann die Ratspolitik. Als Dritten im Bunde fand man auch Caspar Alemann (1550 – 1610), den Sohn Ebeling Alemann, dem Kommandanten der städtischen Truppen während der Belagerung von 1550/51. Die drei Alemänner teilten sich in dieser Zeit in Vetternwirtschaft par excellence die Machtpositionen der Stadt. Die Söhne konnten diese „Tradition“ nicht weiterführen. Jakobs schwebte als Jurist und Ministerialer wohl eher über den Niederungen des Alltags. Er wird in Magdeburg heute allein deswegen erwähnt, weil seine Tochter Otto von Guericke heiratete. Johann dagegen übernahm den dramatischeren Part des Bösewichts der Magdeburger Politik.
So hat der heute total verwitterte Gedenkstein an der Frontwand der Johaniskirche, jener Stein, den Jakob Alemann seinen Eltern widmete, eine doppelte Bedeutung. Er wird sich bei diesem Gedenkstein Er ist dem Nachruhm der letzten Generation der Alemänner gewidmet, die die Politik der Stadt unangefochten prägen konnten. Jakob Alemann wird sich aber auch an seine erste Frau erinnert haben.
Man findet den Stein heute mehrere Meter hoch an der Vorderfront der Johanniskirche links neben dem Hauptportal. Er ist unwiderruflich verwittert und zerstört. Der eingemeißelte Text ist aber überliefert:
Johannes Alemannus, Mauricii filius reipub. Magdeb. Consul, demum praetor una cum liberis, /affinibus et cognatis hic recubans gloriosum Christi Salvatoris Advetum expectat, /placide in Domino defunctus 6. Decemb. A. 1607 /Anna Rubina, Alemanni conjux 9. Sept. Anno Christi 1607 pie obiit./ Parentibus suavissimis atque optome meritis memoriale hoc poni curabat/ filius seniorJacobus Alemannus J.U. Doctor,Scabin. Magdeb. Assesor.
(Johann Alemann, Sohn von Moritz, Bürgermeister von Magdeburg, zuletzt Schultheiß – hier ruhend vereint mit Kindern, Freunden und Verwandten – erwartet die Ankunft des Erlösers Christus, starb sanft im Herrn am 6. Dezember 1607, Anna Rubin, des Alemann´ Gattin, starb sanft 9. September a.C. 1607. Den liebevollsten und bestverdienten Eltern ließ diesen Denkstein setzen der ältere Sohn Jakob Alemann J.U. Doktor, des Magdeburger Schöffenstuhls Beisitzer.)